Nach einigen technischen Artikeln in unserem Blog rund um die Digitalisierung möchten wir uns nun wieder einem allgemeinerem Thema widmen, das ebenso für uns bei ViOffice von Relevanz ist: Soziales Unternehmertum.
Was ist soziales Unternehmertum, wie gründet man ein soziales Unternehmen und was hat das Thema überhaupt mit ViOffice zu tun? Diese und weitere Fragen möchten wir nachfolgend für euch klären.
Was ist Soziales Unternehmertum?
Um zu verstehen was soziales Unternehmertum konkret bedeutet, bietet Wikipedia eine ziemlich zutreffende Definition:
„Unter Sozialunternehmertum bzw. sozialem Unternehmertum oder Social Entrepreneurship versteht man eine unternehmerische Tätigkeit, die sich innovativ, pragmatisch und langfristig für Lösungen sozialer Probleme oder allgemeiner: für einen wesentlichen, positiven Wandel einer Gesellschaft (für sog. metaökonomische Oberziele) einsetzen will. […] Der Profitgedanke steht für Social Entrepreneurs im Hintergrund, weshalb viele dieser Unternehmer in Non-Profit Organisationen organisiert sind, andere Rechtsformen leiten oder unterstützen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialunternehmertum
Ein ähnliches Konzept wird mit dem Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Unternehmerischen Sozialverantwortung verbunden. CSR beschreibt den freiwilligen Beitrag von privaten Wirtschaftsakteur:innen zu nachhaltigen, gesellschaftlichen oder sozialen Zielen über staatliche Regulierung hinaus.
Der entscheidende Unterschied zwischen sozialem Unternehmertum und CSR besteht darin, dass bei Sozialunternehmen der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht, während CSR „klassisch“ strukturierte Unternehmen umfasst, die mit ihren Gewinnen freiwillig soziale Verantworung in der Gesellschaft übernehmen möchten. Die Grenzen zwischen Sozialunternehmertum und der unternehmerischen Sozialverantwortung sind jedoch in der Realität oftmals fließend. [1]
Wie wird ein soziales Unternehmen gegründet?
Im Praxisleitfaden „Soziales Unternehmertum“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wird der Weg zur Gründung eines sozialen Unternehmens ziemlich detailliert, in verschiedene Phasen untergliedert, beschrieben. [1]
1. Inspiration und Motivation
Anders als bei den meisten, gängigen Unternehmensgründungen steht der Dienst an der Allgemeinheit im Mittelpunkt der Gründung. Dazu ist zunächst ein eigenes höheres Ziel bzw. intrinsische Motivation notwendig. Auf welche (positive) Veränderung soll durch die Unternehmensgründung konkret hingearbeitet werden? Wie kann die Unternehmensgründung bei der Erreichung dieses Ziels helfen? Diesen und weiteren Fragen haben sich Sozialunternehmer:innen meist schon lange vor der Gründung aus eigenem Interesse heraus gewidmet.
Dabei sollte man sich auch persönlich die Frage stellen, welcher Unternehmer:innen-Typ man selbst ist. Soll das Unternehmen grundsätzlich hohe Gewinne erzielen, um damit das eigene Ziel zu unterstützen oder ist das Ziel auch bei der unternehmerischen Tätigkeit klar im Fokus und diesem ordnet sich die Gewinnerzielungsabsicht (falls diese überhaupt vorhanden ist) klar unter. Obwohl die Grenzen hier fließend sein können, sollte die Frage für sich vorher (grob) beantwortet werden, da dementsprechend später unterschiedliche Gründungsformen in Erwägung gezogen werden können (evtl. auch eine Vereinsgründung ohne jegliches geschäftliches Interesse).
2. Ideen entwickeln
Ist das eigene Ziel nun identifziert und die Motivation klar, sollten vorhandene Problemlösungsideen analysiert werden. Gibt es bereits erfolgreiche Ansätze, die das eigene soziale Ziel adressieren und inwiefern können/sollten diese Ansätze verändert werden? Welche Akteur:innen sind eigentlich daran konkret beteiligt und wie kann ich mich selbst als Akteur:in einbringen?
3. Geschäftsmodell entwickeln
Rund um die entwickelten Ideen muss ein Geschäftsmodell entwickelt werden, das unterschiedliche Fragestellungen beantwortet, womit ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen werden kann. Zunächst ergibt sich aus der Idee heraus das eigene Angebot in Form eines Produkts oder einer Dienstleistung. Zentral ist hierbei der zweite Aspekt: Wen möchte man damit überhaupt erreichen bzw. wer ist die Kundschaft (Zielgruppe)? Insbesondere für Sozialunternehmen stellt sich zudem die Frage nach der Wertschöpfungskette, d.h. wie wird das eigene Produkt hergestellt und wie kann in diesem Schritt ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen werden. Mögliche Beispiele sind hierfür, ob der Herstellungsprozess besonders ressourcenschonend abläuft oder wie alle Akteur:innen, die an der Dienstleistung bzw. der Herstellung des Produkts beteiligt sind, angemessen und fair beteiligt werden.
4. Markttest
Vor der Gründung gibt es oftmals noch eine Phase des Markttests. In dieser Phase stellt man sein Produkt, das Geschäftsmodell und die motivierende Idee dahinter potenziellen Mitstreiter:innen oder Kund:innen vor (Ideenpitch). Obwohl die Zielgruppe wohl schon im Rahmen der Entwicklung des Geschäftsmodells theoretisch identifiziert wurde, stellt sich nun auch die Frage, wie man an die Gruppen herantreten und diese auch überzeugen kann. Abgesehen von rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen muss bei Sozialunternehmen insbesondere die eigene Story mit dem übergeordneten, gesellschaftlichen Ziel deutlich werden. Um die Idee und das Produkt erstmals vorzustellen, bieten sich u.a. Gründungswettbewerbe an. Neben der Aufmerksamkeit, die dabei generiert wird, erhält man auch bereits erste Reaktionen und wertvolles Feedback.
5. Gründen
Nachdem nun eine gewisse Marktreife vorhanden ist, geht es zur offiziellen Gründung des Sozialunternehmens. Dabei sind betriebswirtschaftliche Aspekte ebenso zu berücksichtigen wie gesellschaftliche, soziale und/oder ökologische. Diese Abwägung ist essenziell zur Festlegung der Rechtsform des Sozialunternehmens. Es gibt Personen- (Einzelunternehmer:in, GbR) und Kapitalgesellschaften (AG, UG, GmbH) sowie Genossenschaften und eingetragene Vereine (e.V.). Während insbesondere die Kapitalgesellschaften scheinbar den kommerziellen Aspekt in den Fokus rücken, sollte berücksichtigt werden, dass auch dabei unter gewissen Umständen eine Gemeinnützigkeit nachgewiesen und beantragt werden kann. Aus der Auswahl der Rechtsform ergeben sich ganz eigene steuerrechtliche, bürokratische und finanzielle Konsequenzen, die sorgfältig abgewogen werden sollten. Außerdem weisen wir darauf hin, dass eine Rechtsform nicht für alle Zeiten beibehalten werden muss, sondern spätere Änderungen durchaus möglich sind.
Abgesehen von der Rechtsform muss auch die Startfinanzierung geklärt werden, um nicht nur mögliche Herstellungskosten zu tragen, sondern auch den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, sofern man von den Einnahmen finanziell abhängig ist. Insbesondere für Sozialunternehmen gibt es dabei öffentliche Förderprogramme. Crowdfunding-Kampagnen bieten sich ebenfalls an. Oftmals finden sich für gemeinnützige Zwecke Unterstützer:innen, die an die Idee nicht aus finanzieller, sondern auch gesellschaftlicher Motivation, glauben.
Sofern alle diese Fragen geklärt sind, steht dem Markteintritt nichts mehr im Wege. Sicherlich werden dabei weitere Unklarheiten ersichtlich, wie die Organisation der internen Abläufe, die Festlegung der Endpreise oder die Notwendigkeit wichtiger Versicherung. Allerdings lassen sich im Normalfall diese Punkte einfach lösen und können auch im Nachhinein entsprechend nachjustiert werden. In der Regel bieten lokale Industrie- und Handelskammern oder Gründungsbüros dafür kompetente Beratungsangebote an.
Woran misst man den Erfolg eines Sozialunternehmens?
Anders als klassische Wirtschaftsunternehmen wird der Erfolg von Sozialunternehmen maßgeblich an der gesellschaftlichen Wirkung, statt am reinen finanziellen Nutzen, gemessen. Sofern eine gemeinnützige Rechtsform gewählt wurde, ist ein Nachweis der sozialen Wirkung der eigenen Tätigkeit sogar verpflichtend vorgeschrieben. Der Erfolg eines Sozialunternehmens kann anhand einer sogenannten Wirkungsanalyse evaluiert werden.
Die Wirkung eines Sozialunternehmens kann in Output, Outcome und Impact unterteilt werden. Diese Kategorien beinhalten wiederum einzelne Unterpunkte, sodass eine Stufen- oder Pyramidenform entsteht. Schauen wir uns die einzelnen Stufen von unten nach oben an:
Zunächst entsteht ein Output in dem Sinne, dass die Aktivitäten planmäßig stattfinden, d.h. das Produkt oder der Dienst ist auf dem Markt, die Gründung wurde vollzogen und die eigentliche Arbeit wurde aktiv aufgenommen. Im Zuge dieser Arbeit werden die ausgewählten Zielgruppen adressiert und das eigene Angebot wird von der Zielgruppe akzeptiert.
Das Output führt bestenfalls zu der gewünschten Wirkung bei der adressierten Zielgruppe. Somit entsteht aus dem reinen Output ein Outcome. Das Outcome ist wiederum in 3 Stufen unterteilt. Die Wirkung führt zu einem veränderten Bewusstsein bei der Zielgruppe, wodurch ein Teil der Zielgruppe ihr handeln anpasst und ändert. Ein verändertes Bewusstsein und angepaste Handlungen können im weiteren Verlauf zu einer tatsächlichen Veränderung der Lebenslage der Zielgruppe führen. Wenn dieser Outcome eine gesellschaftliche Wirkung entfaltet, spricht von einem sozialen, ökonomischen oder ökologischen Impact. Dieser Impact muss nicht zwangsläufig gesamtgesellschaftlich passieren, sondern kann durchaus auch auf einen bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft beschränkt sein. [2, 3]
Wichtig ist hierbei anzumerken, dass je nach Rechtsform natürlich nicht nur der soziale Erfolg, sondern auch der finanzielle Erfolg durchaus betrachtet werden kann und muss.
Inwiefern betrifft das Thema uns?
Wie schon in unserem Blogeintrag mit dem Titel „Unternehmerische Sozialverantwortung“ kurz nach unserer Gründung beschrieben, sehen wir ViOffice als Projekt, welches sich an nachhaltiger, ethischer und sozial gerechter Zukunftsfähigkeit orientiert. An diesem festen Grundsatz hat sich auch bis heute nichts geändert.
Umwelt und Nachhaltigkeit
Wir setzen auf nachhaltige Energiequellen für unsere digitale Infrastruktur, denn gerade der Software- und IT-Bereich ist ein treibender Faktor im steigenden Energiebedarf des globalen Nordens. Unsere Server werden seit unserer Gründung ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben. Wir haben uns explizit für Datenzentren und Serverhardware entschieden, welche geprüft und zertifiziert auf hohe Energieeffizienz aufbauen und die ausschließlich mit Strom aus Wind- und Wasserkraft oder Solarenergie versorgt werden. Zudem achten wir auf effiziente Serverauslastung um Kosten zu sparen und Energie optimal zu nutzen. Mehr dazu in unserem Blogbeitrag „Grünes Internet„.
Open Source, Datenschutz und Privatsphäre
Unsere Dienste basieren zu 100% auf Freier, Open Source Software (FOSS). Neben praktischen Aspekten, versuchen wir damit unsere eigene Abhängigkeit und die unserer Kund:innen von globalen Konzernen und digitalen Monopolen zu minimieren. Ausführliche Informationen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen digitaler Monopole findet Ihr ebenfalls in unserem Blog „Plattformökonomie & Digitale Monopole„. Zudem ist Open Source Software transparent und garantiert damit, dass alle versprochen Datenschutz- und Privatsphäre-Versprechungen von uns erfüllt werden. Wir halten uns stets an die hohen gesetzlichen Standards der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und gehen in vielen Fällen sogar darüber hinaus.
Soziale Teilhabe und Solidarität
Schlussendlich bieten wir einfache und nützliche Werkzeuge zu angemessenen Preisen, welche sich primär an unseren Kosten und an realistischer, nachhaltiger Zukunftsorientierung messen. Unser Preismodell zielt hierbei weder darauf ab, ganze Marktsegmente zu dominieren, noch auf eine eiserne Gewinnoptimierung. Wir streben durch Solidaritätspreise sozialen Ausgleich und Teilhabe an, ohne hierbei Kompromisse der Funktionalität einzugehen. Aus diesem Grund bieten wir u.a. vergünstigte Konditionen für gemeinnützige Vereine, NGOs und Bildungseinrichtungen an. Für Schüler:innen und Studierende haben wir sogar ein Pay-What-You-Want Prinzip für unsere Cloudlösung etabliert, d.h. der Preis kann von den Nutzenden selbst frei gewählt werden – Sogar 0,- € sind möglich!
Ob wir selbst als Sozialunternehmen oder Unternehmen mit starkem Fokus auf unternehmerische Sozialverantwortung definiert werden, ist für uns eher zweitrangig. Richtig ist, dass wir in einem gewissen Rahmen unternehmerisch aktiv sein müssen, um weiterhin einen positiven Beitrag leisten zu können. Wichtig ist uns dabei allerdings, dass der Leitgedanke einer digitalen, nachhaltigen und sozialen Zukunft in Deutschland und Europa nicht der betriebswirtschaftlichen Logik untergeordnet wird. Mit diesem Beitrag möchten wir nicht nur unseren Standpunkt verdeutlichen, sondern Euch auch darin bestärken, selbst aktiv zu werden, um einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten – ob im Rahmen eines Sozialunternehmens, in einem Verein oder auf anderem Wege.
Quellen
[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, 2018): Praxisleitfaden Soziales Unternehmertum. Online unter https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Mittelstand/praxisleitfaden-soziales-unternehmertum.html.
[2] PHINEO gemeinnützige AG (2021): Was ist Wirkung. Online unter: https://www.wirkung-lernen.de/wirkung-planen/was-ist-wirkung/.
[3] Hackenberg, Helga/Empter, Stefan (2011): Social Entrepreneurship – Social Business: Für die Gesellschaft unternehmen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Pascal gründete gemeinsam mit Jan im Herbst 2020 ViOffice. Dabei kümmert er sich vor allem um das Marketing, die Finanzen und Sales. Nach seinen Abschlüssen in der Politikwissenschaft, der Volkswirtschaftslehre und der angewandten Statistik ist er weiterhin in der wissenschaftlichen Forschung tätig. Mit ViOffice möchte er für alle den Zugang zu sicherer Software aus Europa ermöglichen und insbesondere gemeinnützige Vereine bei der Digitalisierung unterstützen.