Am letzten Mittwoch im März fand, wie jedes Jahr, der „Document Freedom Day“ (zu deutsch: „Tag der Freien Dokumente“) statt. Wir möchten die Gelegenheit nutzen um über offene Dokumentenstandards aufzuklären und zu zeigen, wie einfach es ist sich für digitale Selbstbestimmung und gegen monopolistisches Verhalten von Unternehmen stark zu machen. [1]
Büroanwendungen („Office Suites“) gibt es heute glücklicherweise viele. Wir können aus einer ganzen Reihe von technisch guter und einfach bedienbarer Software wählen. Es gibt Lösungen, die online und offline, am PC im Büro oder von unterwegs auf dem Smartphone gut funktionieren.
Die Debatte um die Nutzbarkeit solcher Software läuft meist weniger auf die Funktionen der verschiedenen Programme selbst hinaus (die meisten davon, ob proprietär oder Open Source, bieten selbst für versierte Nutzer:innen alle Funktionen, die sie benötigen), sondern auf die Kompatibilität zu gängigen Dateiformaten.
Ein kleiner Crashkurs zu Dateiformaten
Um an dieser Stelle etwas Klarheit zu schaffen, sollten wir zunächst einmal festlegen, wieso es sinnvoll ist, die Diskussion gedanklich zwischen den Büroanwendungen selbst und den von ihnen gespeicherten Dokumentformaten zu trennen. Diese Unterscheidung ist wichtig, um die Plattformökonomie hinter proprietären Büroanwendungen zu verstehen.
Neben dem Inhalt eines Dokuments selbst, nutzen die meisten Büroanwendungen komplexe Dateiformate um eine Vielzahl an Informationen zu speichern. Beispielsweise wird erfasst, welche Schriftart- und Größe verwendet wird, wo sich Grafiken und Effekte befinden, wie mathematische Formeln in einer Kalkulationstabelle aufgebaut sind, welche Übergänge eine Präsentationsfolie nutzt und vieles mehr.
Damit das Programm versteht, wie die Dokumentendatei aufgebaut ist, wurden entsprechende Standards geschaffen. Diese Vereinheitlichungen sind insbesondere dann nützlich, wenn neue Programmversionen ältere oder sogar fremde Dokumente öffnen sollen. Kennt das Programm einen Standard nicht, kann es das Dokument nicht öffnen oder es kommt zu Unstimmigkeiten innerhalb des Dokuments.
Wieso sind Freie Standards wichtig?
Die wohl bekanntesten proprietären Dokumentformate sind doc
und docx
für Textdokumente, xls
und xlsx
für Tabellenkalkulationen oder ppt
und pptx
für Präsentationsfolien. Sie wurden von Microsoft speziell für Microsoft Office geschaffen und sind teilweise gegenüber der Microsoft Office Büroanwendung sogar versionsgebunden. Besonders hinsichtlich der älteren Standards (doc
, xls
, ppt
) besteht hierbei das Problem, dass Microsoft den genauen Aufbau und die Speicherregeln dieser Formate geheim hält. Entwickler:innen anderer Software, die solche Formate öffnen wollen, müssen also selbst herausfinden, wie das Dokumentformat im Detail funktioniert. Perfekte Kompatibilität ist hierdurch nur schwer erreichbar (sogar innerhalb von Microsoft Office). Die neueren Formate von Microsoft (Office Open XML) sind teilweise offen, was die Unterstützung zumindest an einigen Stellen erleichtert. Dennoch bleiben sie proprietär und sind in vielen Teilen weiterhin undurchsichtig, inkonsequent implementiert und die Kompatibilität ist deswegen sehr mühsam für Anwender:innen und Entwickler:innen. [2, 3]
Anders ist hingegen der Standard „Open Document Format“ (ODF), welcher der Philosophie von Freier, Open Source Software folgt. Ähnlich wie auch bei Freier Software können Menschen weltweit den offenen Standard nutzen, die detaillierte Funktionsweise verstehen, an Verbesserungen der Formate transparent mitarbeiten und diese in eigene Softwareentwicklungen einbauen. Dies ermöglicht reibungslose Kompatibilität von Dokumenten in unterschiedlichen Büroanwendungen. ODF wird seit Jahren in fast allen Büroanwendungen unterstützt und enthält größtenteils die selbe Funktionalitäten wie die etablierten proprietären Formate. [3, 4]
Die Nutzung von ODF und anderen offenen Dateistandards führt aus diesem Grund zu digitaler Selbstbestimmung und freieren Märkten, denn Nutzer:innen können mit ihnen unabhängig entscheiden, welche Büroanwendung sie benutzen möchten. Darüber hinaus können sie die darin bearbeiteten Dokumente auch mit anderen Personen teilen, die wiederum andere Software nutzen können. Bei der Nutzung proprietärer Formate hingegen besteht ein sogenannter „Lock-In Effekt“, bei dem Nutzende an die Hersteller:innen der jeweiligen Software gebunden sind oder der Wechsel zu anderer Software künstlich erschwert wird. [3, 4]
Der überwältigende Großteil des Marktes nutzt aktuell Büroanwendungen von Microsoft oder Google. Obwohl weder Microsoft noch Google im Sinne des Lock-In Effekt ein spezielles Interesse daran haben dürften ODF besonders gut zu unterstützen, können beide Büroanwendungen den Freien Standard öffnen, bearbeiten und abspeichern. Jedoch wird dies oft künstlich erschwert, von den Programmen aktiv dazu abgeraten und standardmäßig ein anderes (eigenes) Format benutzt. Die marktbeherrschende Dominanz von Microsoft und Google erlaubt es den Unternehmen im Grunde festzulegen, wie und mit wem in ihrer Software geschaffene Inhalte geteilt werden können. [5]
Was können wir tun?
Die offensichtlichste und zugleich einfachste Änderung, die wir alle umsetzen können, ist die Nutzung von offenen Dokumentformaten wie ODF. Dies lässt sich in vielen Programmen als Standard einstellen und verringert somit die Hürde zur Zusammenarbeit mit anderen sowie der langfristigen Archivierung von Dateien. Es stärkt zudem das Bewusstsein über Lock-In Effekte und Kompatibilitätsprobleme als eine Art niedrigschwelligen Aktivismus.
Die in der ViOffice Cloud enthaltene Office-Plattform Collabora Online nutzt standardmäßig den ODF Standard. Natürlich können proprietäre Formate wie beispielsweise das von Microsoft seit 2007 genutzte OOXML problemlos geöffnet, bearbeitet, gespeichert und auch erstellt werden.
Doch wie bei allen Themen, die den digitalen Markt betreffen, können sich nachhaltige Änderungen, welche den wirtschaftlichen Interessen großer IT-Unternehmen entgegenstehen wohl nicht gänzliche ohne staatliche Regulierung und Anreize durchsetzen. Gesetzgebende müssen dafür sorgen, dass Monopolist:innen vollumfängliche Kompatibilität mit offenen Standards in ihrer eigenen Software implementieren oder die Spezifikationen ihrer Dateiformate offen legen, damit auch anderen diese uneingeschränkt nutzen, verstehen, teilen und verbessern können.
Quellen
- Digital Freedom Foundation (2022): About the Document Freedom Day. URL: https://www.documentfreedom.org/about
- Dapp, M. (2014): „Oh-oh-XML“ – Digitale Zeitbombe in deutschen Amtsstuben. Online unter: https://netzpolitik.org/2014/ooxml-digitale-zeitbombe-in-deutschen-amtsstuben/
- Vignoli, I. (2022): Why ODF is a better STandard than OOXML. FOSDEM 2022 (Video). Online unter: https://mirrors.dotsrc.org/fosdem/2022/D.libreoffice/lotech_odfbetterthanooxml.mp4
- Vignoli, I. (2019): Open Formats – ODF vs OOXML. Online unter: https://www.libreoffice.org/assets/Conference/LATAM-Conf/Estandares.pdf
- enlyft (2022): Office Productivity products. URL: https://enlyft.com/tech/office-productivity
Jan ist Mitgründer von ViOffice. Er kümmert sich insbesondere um die technische Umsetzung und Wartung der Software. Seine Interessen liegen insbesondere in den Themengebieten Sicherheit, Datenschutz und Verschlüsselung.
Neben seinem Studium der Volkswirtschaftslehre, später der angewandten Statistik und seiner daran anknüpfenden Promotion, hat er jahrelange Erfahrung im Bereich Softwareentwicklung, Opensource und Serveradministration.