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Digitales Büro ohne Microsoft, Google & Co.

A Person sitting in front of a laptop explaining something to unknown people in the same room

Wer in irgendeiner Weise schon einmal produktiv mit Endgeräten gearbeitet hat, ist den „Großen Fünf“ der Big Tech Unternehmen, also Google, Amazon, Meta (ehemals Facebook), Apple und Microsoft, in jedem Fall begegnet. Und selbst wenn man das aktiv zu verhindern versucht, kommt man unweigerlich täglich in den Kontakt mit eben diesen Akteur:innen.

Die aus den jeweils ersten Buchstaben als GAMAM (zuvor noch GAFAM) zusammengefassten fünf Unternehmen halten zusammen einen jährlichen Umsatz von weit über einer Billiarden US-Dollar und gehören 2022 in der Liste der Unternehmen mit dem größten Marktwert zu den Top 10 weltweit. [1]

Darüber hinaus halten die fünf US-Amerikanischen Unternehmen große Marktmacht in ihren jeweiligen Branchen und darüber hinaus. Das ist nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt, sondern natürlich auch in Europa. Die Idee eines digital ausgestatteten Büros ohne Anwendungen oder IT-Infrastruktur dieser fünf Mega-Konzerne wirkt zunächst einmal rebellisch und nahezu aussichtslos. [2, 3]

Seien es die Betriebssysteme von Microsoft, Apple oder Google, die Büroanwendungen von Microsoft, Cloud Computing und Webseiten Hosting von Amazon und Google oder die Omnipräsenz von Meta im World Wide Web – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – so scheint es zunehmend schwerer ohne die Datenkraken digital agieren zu können. [3]

Dabei gibt es eigentlich zahlreiche Optionen, die sich der Monopolstellungen der großen Fünf entziehen und kleine Oasen der digitalen Unabhängigkeit darstellen – man muss sie lediglich finden. [2, 3, 4]

Das Problem der Abhängigkeit

a bird cage hanging in aa tree

Das Problem der fehlenden digitalen Unabhängigkeit ist grundsätzlich dasselbe wie bei jeder Infrastruktur oder kritischen Gütern. Heute ist alles miteinander vernetzt. Daten werden erfasst, verarbeitet, versendet und gespeichert. Viele Prozesse in der Wirtschaft aber auch in unserem alltäglichen Leben sind inzwischen nahezu vollständig digitalisiert oder hängen maßgeblich von solchen Prozessen ab.

Wie uns zuletzt schmerzlich vor Augen geführt wird, haben wirtschaftliche Abhängigkeiten jeglicher Art selbstverständlich auch eine (geo-) politische Ebene. Es ist eben nicht egal, wer unsere Infrastruktur bereitstellt oder Zugriff darauf hat.

Bei der digitalen Infrastruktur gibt es zudem die Besonderheit, dass der Einsatzort nicht zwangsweise mit dem Bereitstellungsort übereinstimmen muss. Sprich: In Deutschland genutzte Plattformen können beispielsweise auch in den USA stehen – und noch viel wichtiger, der gesetzliche Geschäftsort der betreibenden Unternehmen auch. [4]

Des weiteren nutzen diese großen Unternehmen ihre beherrschende Marktmacht um Opportunitätskosten zu schaffen, also das Wechseln zu Alternativplattformen teuer und aufwändig zu machen. Man nennt diesen Umstand „Lock-In“ Effekt. Hat sich ein Unternehmen einmal für eine digitale Lösung der Big Five entschieden, ist es oftmals schwer wieder von dieser zu entkommen, auch wenn andere Lösungen günstiger oder besser wären. [5, 6]

Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung attestiert den 100 größten Deutschen Unternehmen eine zunehmende Abhängigkeit von externen digitalen Dienstleister:innen wie beispielsweise den Big Five. Im Büroalltag nutzen so alleine über 80% Microsoft Produkte und zehn weitere Prozent nutzen Dienste von Google für ihre Arbeit. Die Wissenschaftler:innen bemängeln, dass dies zwangsweise zu einer digitalen Abhängigkeit von eben diesen Unternehmen führt. [2, 5]

Digitale Unabhängigkeit und Gesellschaft

Doch nicht nur Unternehmen begeben sich und die Informationen ihrer Kundschaft in umfassende Abhängigkeit, sondern auch Verwaltungen und Staaten. Genau wie Unternehmen nutzen sie nahezu ausschließlich Anwendungen und Infrastruktur externer Dienstleister:innen aus dem außereuropäischen Ausland. Das wird genau dann zum Problem, wenn die Gewährleistung von in Europa geltenden Gesetzen praktisch nicht mehr angewandt oder gar durchgesetzt werden kann. Besonders kritisch ist dies bei Verwaltungen zu sehen, die hochsensible Daten von Bürger:innen verarbeiten und auf Infrastruktur abspeichern, die Akteuer:innen mit völlig entgegen gestellten Interessen gehören. [2, 5]

Die monopolartige Stellung der Big Tech Unternehmen führt außerdem zu einem weiteren, deutlich langfristiger gedachten Aspekt des Lock-In Effekts. Die weite Verbreitung von Anwendungen für Endnutzer:innen (beispielsweise Microsoft Windows oder die Google Suche) führt zu einem nahezu flächendeckenden Gewöhnungseffekt der Bevölkerung.

Die Nutzung bestimmter Programme oder Betriebssystemen der Big Five ist oft Voraussetzung für bestimmte Bildungswege, Arbeitsplätze oder gesellschaftliche Partizipation. Dies ist ein sich selbst verstärkender Effekt, der die Alternativoptionen zunehmend unattraktiver macht – selbst dann, wenn diese objektiv besser, günstiger oder flexibler wären.

Fast alle großen Big Tech Konzerne verfolgen die Strategie des in sich geschlossenen digitalen Ökosystems. Nutzer:innen wird hierbei zunächst ein scheinbar kostengünstiges oder sogar vollkommen unentgeltliches Angebot von Software und Plattformen geboten, die nahezu jeden Anwendungsbereich abdecken. Die Gewöhnung von Arbeitnehmer:innen an dieses Ökosystem macht es für Arbeitgeber:innen umso attraktiver diese ebenfalls zu nutzen, was wiederum Bildungseinrichtungen und andere staatliche Stellen in die selbe Richtung drängt. [2, 5]

Förderung freier Märkte

black chess pieces on a chess board

Es ist wenig verwunderlich, dass die starke Marktstellung der Big Tech Unternehmen zu einem Einschnitt in die Marktfreiheit bei digitaler Infrastruktur führt. Kleine und mittelgroße IT-Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, sich gegen die „Big Player“ zu behaupten und sind oftmals selbst von diesen abhängig. [2, 3, 5, 6]

Glücklicherweise arbeiten viele Bürger:inneninitiativen und einige Unternehmen seit geraumer Zeit an Lösungen und Vorschlägen diese Tendenzen aufzubrechen. Und jüngst springen sogar staatliche Stellen wie beispielsweise Verwaltungen ebenso auf diese Lösungen an und beginnen damit offene digitale Infrastruktur selbst zu nutzen und auch stärker zu fördern. [2, 6]

Im Hinblick auf die Stärkung eines freien Marktes spielt Freie Software hierbei eine entscheidende Rolle für europäische, digitale Unabhängigkeit. Zum Einen sind bereits existierende, Freie Projekte durch ihre oftmals hohe Flexibilität und Skalierbarkeit gerade für junge Unternehmen und solche, die im Digitalisierungsprozess stecken besonders attraktiv. Freie Software wird in der Regel gemeinsam mit anderen entwickelt, was für die Einzelnen fast immer günstiger ist. Die oft kostenintensive Entwicklungsphase kann somit externalisiert und auf alle Akteur:innen verteilt werden. [2, 5]

Zum Anderen tut die plattformübergreifende Architektur und die Nutzung offener Standards hierbei ihr übriges. Dadurch ist die Software oder Plattform meist einfach in verschiedene Gesamtsysteme integrierbar, es ist also vollkommen egal, welche anderen Softwarekomponenten oder Betriebssysteme die Unternehmen und Angestellten nutzen. [2, 6]

Plattformen, die vollständig auf Freier Software aufbauen, umgehen darüber hinaus auch den Lock-In Effekt, da sie unabhängig von den Bereitstellenden sind. Sollten gewisse Anbieter:innen nicht in Frage kommen, kann einfach zu anderen gewechselt werden – oder die Plattform kann in Eigenregie ohne Involvierung Dritter betrieben werden. Dadurch entsteht echter Wettbewerb auf einem vollständig freien Markt. Viele kleine Anbieter:innen erzeugen also ein günstiges, faires und innovatives Marktökosystem, statt Monopoltendenzen einiger weniger Mega-Konzerne zu stärken. [2, 5, 6]

Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt dabei in der Demokratisierung von Entwicklungsprozessen. Dadurch, dass alle Akteur:innen ganz gleich ob Privatpersonen, Unternehmen oder staatliche Stellen am Entwicklungsprozess Freier Software teilhaben können, liegt die Entscheidungsmacht über Funktionen und Richtung des Projekts bei eben jenen, die von der Nutzung des Software betroffen sind. Auch Teilhabe- und Integrationsaspekte spielen hierbei eine zentralere Rolle, als dies bei unfreier proprietärer Software der Fall ist. [2, 6]

Unterm Strich stärkt die Nutzung Freier Software somit nicht nur die digitale Unabhängigkeit, sondern auch die digitale Souveränität der Unternehmen, Angestellten und oftmals auch Kund:innen.

Ungenutzte Potenziale Freier Software

an old treasure chest

Selbstverständlich ist nicht alles immer so einfach, wie es klingt. Neben dem Lock-In Effekt, der den Wechsel von GAMAM-Software auf unabhängigere Optionen erschwert, leiden Freie Software Projekte unter einer chronischen Investitionslücke. Solche Open Source Projekte werden oftmals teilweise oder manchmal in Gänze ohne jegliches Budget von Entwickler:innen in ihrer Freizeit entwickelt. Es ist umso erstaunlicher, dass viele Projekte bereits jetzt für den Privatgebrauch oder bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) den proprietären Lösungen ebenbürtig oder sogar überlegen sind. [2, 5]

Entsprechende Förderungen und Privatinvestitionen könnten der Freie Software somit den letzten nötigen Schub geben, um endgültig zu beweisen, dass gemeinschaftlich finanzierte, entwickelte und genutzte Software sowohl für lokale Unternehmen als auch gesamtgesellschaftlich erhebliche Effizienzgewinne und Potenzialentfesselung bedeuten können. Große Unternehmen könnten hierbei eine wichtige Schlüsselrolle erfüllen, denn auch für sie bedeutet Freie Software einen gigantischen Kosten- und Flexibilitätsvorteil. [2]

Abschließend können wir alle dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Gesellschaft ist ein dynamischer, sich ständig im Wandel befindlicher Prozess und das gilt auch für die Digitalwelt. Die digitale Infrastruktur, die von Privatpersonen genutzt wird hat Einfluss darauf, was Unternehmen und der Staat nutzen – und umgekehrt. Dass es inzwischen so viele Bestrebungen gibt, Freie Software in europäischen Verwaltungen zu nutzen, liegt mitunter an dem konsequenten Aktivismus im kleiner Rahmen vieler einzelner Personen und Gruppen überall auf dem Kontinent. [2]

Quellen

  1. Protska, O. (2022): Most Valuable Companies in the World. URL: https://fxssi.com/top-10-most-valuable-companies-in-the-world
  2. Frick, V., Goebel-Aribaud, E., Kostrzewa, L., Lautermann, C., Flock, A. (2022): Büro ohne GAFAM? Wie Unternehmen digitale Verantwortung übernehmen können. Bits & Bäume 2022. URL: https://media.ccc.de/v/bitsundbaeume-20791-bro-ohne-gafam-wie-unternehmen-digitale-verantwortung-bernehmen-knnen
  3. Mayr, H. (2019): Wer gehört zu wem?. URL: https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung/wer-gehoert-zu-wem
  4. Kukets, M. (2018): Tschüss Datenkrake: Ein Leben ohne Google. URL: https://www.kuketz-blog.de/tschuess-datenkrake-ein-leben-ohne-google/
  5. Lautermann, C. (2021): Schwerpunkt Corporate Digital Responsibility: Ranking der Nachhaltigkeitsberichte 2021. URL: https://www.ioew.de/news/article/schwerpunkt-corporate-digital-responsibility-ranking-der-nachhaltigkeitsberichte-2021
  6. Maier, O. (2020): Die Macht der Digitalkonzerne beschränken – Für eine digitale Grundversorgung im 21.Jahrhundert! URL: https://digitalcourage.de/2020/10/21/die-macht-der-digitalkonzerne-beschraenken
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Jan ist Mitgründer von ViOffice. Er kümmert sich insbesondere um die technische Umsetzung und Wartung der Software. Seine Interessen liegen insbesondere in den Themengebieten Sicherheit, Datenschutz und Verschlüsselung.

Neben seinem Studium der Volkswirtschaftslehre, später der angewandten Statistik und seiner daran anknüpfenden Promotion, hat er jahrelange Erfahrung im Bereich Softwareentwicklung, Opensource und Serveradministration.