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Kommerzialisierung von Privatsphäre

Kürzlich machte Meta Schlagzeilen, als sie ankündigten, 14 USD pro Monat für ein „werbefreies Erlebnis“ auf ihren Plattformen Facebook bzw. Instagram zu verlangen. Ein ähnlicher Schritt wurde bereits von Google auf YouTube unternommen, die ebenfalls ein werbefreies Erlebnis mit einem verstärkten Vorgehen gegen die AdBlock-Nutzung ihrer Nutzer koppeln. [1, 2]

Neben „zusätzlichen Funktionen“ für die kostenpflichtigen Konten versucht vor allem Meta, mit seinem Angebot eine erhöhte Privatsphäre zu suggerieren. Google ist in dieser Hinsicht viel subtiler, aber in Online-Diskussionen, Blogs und Artikeln auf fließbandartigen Tech-Nachrichtenseiten wird oft auch das Argument der erhöhten Privatsphäre durch weniger Werbung angeführt. Schließlich sind die Risiken der Online-Werbung für die Privatsphäre weitreichend bekannt, für alle, die das Internet in den letzten zwei Jahrzehnten genutzt haben. [3, 4, 5]

Was bleibt, ist der Eindruck, dass für den Schutz der Privatsphäre und den Schutz vor Überwachung durch Megakonzerne und Datenbroker eine kleine Gebühr an eben diese Megakonzerne gar kein schleter Deal sei.

Die Kommerzialisierung der Privatsphäre ist kein neues Phänomen. Wie bereits in der Vergangenheit erörtert, haben viele Technologieunternehmen bereits in der Vergangenheit versucht, aus dem Begriff der Privatsphäre allein Kapital zu schlagen. Dies führt auch dazu, dass die Privatsphäre ein soziales Thema ist und ärmere Menschen stärker von der Überwachung betroffen sind als reichere und privilegiertere Schichten.

Obwohl es eine unmoralische Geschäftspraxis wäre, eine Prämie für eine glatte Lüge zu verlangen, ist es im Kontext dieses Blogbeitrags nicht wirklich wichtig, ob Datenschutzversprechen der Megakonzerne wahr sind oder nicht. Die bloße Vorstellung, eine zusätzliche Gebühr für den Datenschutz eines ohnehin bestehenden Produkts zu verlangen und das Versprechen, die Daten der Nutzenden nicht zu verkaufen oder zu missbrauchen, ist ein vergiftetes Geschäft. [6]

Für Privatsphäre zahlen

Auf der anderen Seite ist der Datenschutz (oder das Versprechen) zu einer eigenen Geschäftskategorie und einem „Alleinstellungsmerkmal“ (USP) geworden – siehe: ViOffice! Der Verzicht auf den Verkauf von Nutzer:innendaten kann in der Tat kurzfristig einen finanziellen Nachteil darstellen. Unabhängig davon, ob es sich dabei um reale Kosten oder um Opportunitätskosten handelt. Auch das Hosting von Diensten in Datenzentren, deren Betreibende keine Verkehrs- und Metadaten an Dritte verkaufen (oder die selbst Überwachungskapitalist:innen sind), kann in manchen Fällen teurer sein. Im Gegenzug müssen datenschutzbewusste Anbieter:innen möglicherweise mehr für das jeweilige Angebot verlangen als die Konkurrenz.

Unabhängig davon, ob Unternehmen oder Diensteanbietende aus dem Alleinstellungsmerkmal des Datenschutzes Kapital schlagen wollen oder nicht, ist die Inanspruchnahme eines Dienstes, der die Daten der Nutzenden nicht sammelt und missbraucht, in aller Regel also mit einem Aufpreis verbunden. Wenn nicht in finanzieller Hinsicht, so können diese zusätzlichen Kosten in Form des erforderlichen Wissens zur Nutzung alternativer Optionen oder sogar zum selbst Betreiben dieser Optionen entstehen.

In der Open-Source-Gemeinschaft, die zumeist auf den Schutz der Privatsphäre bedacht ist, gibt es eine leichte Tendenz, nach Lösungen zu greifen, die für eine Minderheit von Personen wirklich gut funktionieren. Diejenigen, die die Zeit, das Wissen und andere Ressourcen haben, um sich über verschiedene Möglichkeiten zu informieren und sie vielleicht sogar selbst einzurichten. Zugegebenermaßen ist das Selbst betreiben von Diensten in den letzten Jahren wesentlich einfacher geworden, selbst für diejenigen, die nur über mittelmäßige technische Kenntnisse verfügen.

Auch wenn diese (im Vergleich) sehr wenigen Personen sich und ihre Gemeinschaften durch selbst gehostete Dienste und IT-Infrastrukturen sehr gut vor Daten sammelnden Technologieunternehmen schützen können, ist dies keineswegs für alle ein gangbarer Weg. Im Endeffekt bedeutet dies wiederum, dass die Privatsphäre eher ein Privileg als ein Recht sei und somit zu einer sozialen Frage wird.

Einen alternativen Ansatz bietet beispielsweise das Fediverse-Ökosystem, bei dem Mastodon seit kurzem eine Vorreiterrolle spielt. Hunderte und Tausende von kleinen und mittleren Dienstleister:innen bieten Zugang zu ihren selbst betriebenen Social-Media-Plattformen, die alle durch „Föderierung“ miteinander verbunden sind. Oft sind diese Angebote rein altruistisch und werden durch Spenden finanziert, manchmal ist eine Gebühr erforderlich, um die Serverkosten zu decken. Durch die Nutzung des Konzepts der finanziellen Solidarität können auch diejenigen, die nur über geringe finanzielle und technische Mittel verfügen, davon profitieren.

Die Aufmerksamkeitsökonomie

Zurück auf den etablierten Plattformen sieht es allerdings düsterer aus. Während das Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre in den letzten Jahrzehnten weltweit zugenommen hat, haben beliebte Online-Plattformen nicht so reagiert, wie man es sich erhofft hätte. Anstatt die Richtlinien für die Datenerfassung so anzupassen, dass sie Nutzenden zugutekommen, versuchen die großen Unternehmen beständig, mit oberflächlichen Datenschutzbehauptungen Verwirrung zu stiften. Oftmals stellt sich heraus, dass dies überhaupt nicht im Interesse der Nutzenden ist und zu noch mehr Überwachung führen kann. [3, 4, 6, 7]

Nicht jeder Online-Dienst ist dazu bestimmt, dezentralisiert und föderal organisiert zu sein wie beispielsweise das Fediverse, XMPP oder E-Mail. Die meisten Mainstream-Angebote werden von Monopolist:innen entwickelt, um ihre Rolle zu stärken und in den Köpfen der Menschen die Vorstellung einer einzigen Plattform für Informationen, Spaß, Konversation oder wofür auch immer die Plattform von anderen genutzt wird, zu verankern. Während der Datenschutz unter Nutzer:innen ein wichtiges Thema zu bleiben scheint, ist der Zynismus in Bezug auf den Datenschutz und das „Datenschutzparadoxon“ ein starker Faktor für diejenigen, die keine Ressourcen haben, um etwas zu ändern, oder die einfach noch nie ein alternatives Web gekannt haben. [6, 7, 8, 9]

Stattdessen klingt eine große, auffällige Ankündigung für mehr Datenschutz oder eine zweideutige unterschwellige Andeutung innerhalb des bereits bekannten „Walled Garden“-Ökosystems ziemlich verlockend. Doch während die Einblendung gezielter Werbung sicherlich eine Haupteinnahmequelle für Werbeunternehmen wie Meta ist, ist der Verkauf von Nutzer:innendaten (Interessen) an Datenbroker und andere Werbetreibende außerhalb des Unternehmens wohl ebenso wichtig für ihr Geschäftsmodell. Die bloße Sammlung und Weitergabe von Personendaten kann durch den Kauf von Meta- oder Google-Premiumdiensten wohl nicht unterbunden werden. [8, 9, 10, 11]

Fazit

Leider hat die Privatsphäre ihren Preis. Dieser muss nicht immer finanzieller Art sein, aber die Kommerzialisierung der Privatsphäre wird – bedauerlicherweise – auf absehbare Zeit bestehen bleiben.

Überall dort, wo es einen Markt für das Sammeln und Verkaufen von Daten gibt, gibt es auch einen Markt für den Schutz der Daten und einen Markt für das Versprechen, die Daten zu schützen. Natürlich sind alle drei Geschäftsmodelle sehr unterschiedlich, zumal nur eines im Interesse der Nutzer liegt. Im Endeffekt führen sie jedoch alle zu der unglücklichen Situation, dass die Privatsphäre ein gesellschaftliches Problem und die (digitale) Selbstbestimmung eher ein Privileg als ein Recht ist.

Das Ziel von Anbietenden datenschutzfreundlicher Dienste sollte es sein, die Einstiegshürden zu senken (sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Benutzungsfreundlichkeit) und eine Gemeinschaft zu fördern, die datenschutzfreundliche Dienste für alle nachhaltig macht.

Quellen

  1. Schechner, S. (2023): Meta Plans to Charge $14 a Month for Ad-Free Instagram or Facebook. URL: www.wsj.com
  2. Herbig, D. (2023): Youtube weitet offenbar Vorgehen gegen Adblocker aus. URL: www.heise.de
  3. Froehlich, N. (2022): The Truth In User Privacy And Targeted Ads. URL: www.forbes.com
  4. Estrada-Jiménez, J., Parra-Arnau, J., Rodríguez-Hoyos, A., Forné, J. (2016): Online advertising: Analysis of privacy threats and protection approaches. In Computer Communications, 100. P. 32-51. DOI: 10.1016/j.comcom.2016.12.016
  5. Sophie C. Boerman & Edith G. Smit (2023): Advertising and privacy: an overview of past research and a research agenda. International Journal of Advertising, 42:1, P. 60-68, DOI: 10.1080/02650487.2022.2122251
  6. Doctorow, C. (2020): How to Destroy Surveillance Capitalism. URL: onezero.medium.com
  7. Zuboff, S. (2019). The age of surveillance capitalism.
  8. van Ooijen, I., Segijn, C. M., & Opree, S. J. (2022). Privacy Cynicism and its Role in Privacy Decision-Making. Communication Research, 0. DOI: 10.1177/00936502211060984
  9. Lutz, C., Hoffmann, C. P., & Ranzini, G. (2020). Data capitalism and the user: An exploration of privacy cynicism in Germany. New Media & Society, 22, P. 1168-1187. DOI: 10.1177/1461444820912544
  10. Klosowski, T. (2023): How To Turn Off Google’s “Privacy Sandbox” Ad Tracking—and Why You Should. URL: www.eff.org
  11. Rodenhausen, D., Wiener, L., Rogers, K. Katerman, M. (2022): Consumers Want Privacy. Marketers Can Deliver. URL: www.bcg.com
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Jan ist Mitgründer von ViOffice. Er kümmert sich insbesondere um die technische Umsetzung und Wartung der Software. Seine Interessen liegen insbesondere in den Themengebieten Sicherheit, Datenschutz und Verschlüsselung.

Neben seinem Studium der Volkswirtschaftslehre, später der angewandten Statistik und seiner daran anknüpfenden Promotion, hat er jahrelange Erfahrung im Bereich Softwareentwicklung, Opensource und Serveradministration.