Die Digitalisierung ist zu einem zentralen Treiber globaler Machtverschiebungen geworden. Sie beeinflusst nicht nur wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, sondern auch geopolitische Beziehungen und Sicherheitsstrategien. In diesem Blogartikel beleuchten wir die aktuellen geopolitischen Entwicklungen in Bezug auf die Digitalisierung, mit besonderem Fokus auf die Europäische Union (EU) sowie die Beziehungen zu den USA, Russland und China.
Digitale Technologien bieten Staaten die Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und ihren Einfluss global auszubauen. Dabei spielen Infrastrukturprojekte (z. B. 5G-Netze), Datenhoheit, Cyber-Sicherheit und technologische Standards eine entscheidende Rolle.
Die Europäische Union: Strategie und Herausforderungen

Digitale Souveränität und strategische Autonomie
In den letzten Jahren strebt die EU zunehmend nach digitaler Souveränität, um unabhängiger von außereuropäischen Technologieanbietern zu werden. Initiativen wie der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA) sollen faire Wettbewerbsbedingungen schaffen und die Macht großer US-Tech-Konzerne einschränken.
Ziel des DMA ist es, die Marktmacht großer Plattformen („Gatekeeper“) zu begrenzen. Unternehmen wie Alphabet, Apple, Meta und Amazon müssen künftig Regeln einhalten, die verhindern, dass sie ihre eigenen Dienste gegenüber anderen Wettbewerbern bevorzugen. Der DMA verpflichtet Gatekeeper unter anderem dazu, Schnittstellen für Drittanbietende zu öffnen, den Transfer von Daten zwischen Plattformen zu erleichtern und klare Regeln für App‑Stores und Suchmaschinen festzulegen.
Der DSA richtet sich an alle Online-Dienste mit dem Schwerpunkt auf Schutz der Nutzenden und Transparenz. Plattformbetreibende müssen künftig illegale Inhalte proaktiv entfernen, über ihre Content‑Moderation Bericht erstatten und das Risiko von systemischer Desinformation bewerten. Größere Plattformen werden zusätzlich strengen Aufsichtspflichten unterliegen, inklusive unabhängiger Audits und dem Recht für Nutzende auf Erklärungen zu algorithmischen Empfehlungen.
Investitionen in digitale Infrastruktur
Mit dem EU-Digitalpaket (Digital Decade Programme) definiert die EU verbindliche Ziele für digitale Infrastrukturen, Kompetenzen, digitale öffentliche Dienste und Unternehmensdigitalisierung bis 2030. Kernbestandteile sind der Ausbau von Gigabit-Netzen, die Förderung von High-Performance Computing und Quanteninfrastruktur, Investitionen in Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Kompetenzen sowie die Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen.
Cyber-Sicherheit und regulatorische Maßnahmen
Die EU verstärkt ihre Cyber-Abwehrkapazitäten durch das EU Cybersecurity Act und das Network and Information Security (NIS2) Directive.
Der EU Cybersecurity Act etabliert die EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) als zentrale Instanz für Cybersecurity in Europa. Es führt ein EU-weites Zertifizierungsrahmenwerk für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Produkte, -Dienste und -Prozesse ein. Ziel ist es, einheitliche Sicherheitsstandards zu schaffen, das Vertrauen von Unternehmen und Verbraucher:innen in digitale Lösungen zu stärken und die Marktakzeptanz sicherer Produkte zu erhöhen.
Als Nachfolgerin der ersten NIS-Richtlinie erweitert NIS2 den Geltungsbereich deutlich. Neben Betreibenden kritischer Infrastrukturen (z. B. Energie, Verkehr, Gesundheitswesen) fallen nun auch große digitale Dienstleistende, Anbieter:innen digitaler Plattformen und Herstellende kritischer Hardware unter die Vorschriften. Unternehmen müssen umfassende Risikomanagementprozesse etablieren, regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen durchführen und Sicherheitsvorfälle binnen 24 Stunden melden. Verstöße können mit Bußgeldern von bis zu 10 Mio. Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden.
Gleichzeitig werden Datenschutzstandards durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) weltweit zum Vorbild.
Die USA, China und Russland

USA: Technologieführerschaft und internationale Allianzen
Die USA sehen Digitalisierung als Schlüssel zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Führungsrolle. Mit Initiativen wie der CHIPS Act zur Förderung der Halbleiterproduktion und der Stärkung von Partnerschaften im Rahmen des Indo-Pacific Economic Framework (IPEF) zielen sie darauf ab, technologische Ökosysteme zu festigen und strategische Abhängigkeiten zu minimieren.
China: Technologischer Aufstieg und digitale Einflussnahme
China verfolgt eine offensiv-expansionistische Digitalstrategie. Mit Programmen wie „Made in China 2025“ und dem Ausbau der Digital Silk Road sichert es sich Zugang zu kritischen Technologien und globalen Märkten. Gleichzeitig setzt China auf strenge digitale Kontrolle und Überwachung als Instrumente der innenpolitischen Stabilität.
Russland: Cyber-Kriegsführung und technologische Abhängigkeit
Russland nutzt Cyber-Angriffe und Desinformationskampagnen als geopolitisches Mittel. Im technologischen Bereich kämpft Russland jedoch mit Abhängigkeiten von ausländischen Komponenten und Software. Eigene Initiativen wie das „Souveränes Internet“-Gesetz sollen die Kontrolle über nationale Datenflüsse erhöhen.
Fazit

Die Welt bewegt sich zunehmend in Richtung technologische Sphären mit unterschiedlichen Standards und Ökosystemen – ein Phänomen, das als „Techno-Nationalismus“ bezeichnet wird. Trotz geopolitischer Spannungen gibt es aber auch gemeinsame Interessen, beispielsweise im Kampf gegen Cyberkriminalität und bei der Festlegung globaler Standards für KI-Ethik.
Die Digitalisierung ist zu einem zentralen Feld geopolitischer Auseinandersetzungen geworden. Während die EU an ihrer digitalen Souveränität arbeitet und zwischen den Interessen der USA, Russlands und Chinas navigiert, formen technologische Entwicklungen die Machtverhältnisse weltweit. Eine ausgewogene Strategie, die Kooperation und Schutz gleichermaßen berücksichtigt, ist essenziell, um in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich zu agieren.
Pascal gründete gemeinsam mit Jan im Herbst 2020 ViOffice. Dabei kümmert er sich vor allem um das Marketing, die Finanzen und Sales. Nach seinen Abschlüssen in der Politikwissenschaft, der Volkswirtschaftslehre und der angewandten Statistik ist er weiterhin in der wissenschaftlichen Forschung tätig. Mit ViOffice möchte er für alle den Zugang zu sicherer Software aus Europa ermöglichen und insbesondere gemeinnützige Vereine bei der Digitalisierung unterstützen.