Es ist allseits bekannt, dass das Internet als gesamte Infrastruktur mit seinen Milliarden von Endgeräten und der entsprechenden Serverinfrastruktur dahinter sehr viel Energie verbraucht. Insbesondere mit dem Aufkommen von Cloud- und „Off-Site“-Computing sowie der Beliebtheit von Streaming-Diensten, Content-Delivery-Networks und anderen Entwicklungen in der Netzwerkinfrastruktur steigen die Anzahl und der Energieverbrauch von Rechenzentren weltweit dramatisch an. [1, 2]
Wir fragen uns deswegen: Wie groß ist der Anteil des Hypes rund um Künstliche Intelligenz an diesem Rasanten anstieg und ist es uns das wert?
Steigender Energiebedarf

Im Jahr 2022 verbrauchten allein die Rechenzentren weltweit rund 460 Terawattstunden (TWh), mit stark steigender Tendenz. Die Internationale Energieagentur (IAE) schätzt, dass Rechenzentren bis 2026 zwischen 600 und 1.000 TWh pro Jahr benötigen. Dies entspricht dem Energieverbrauch eines größeren europäischen Landes. Zum Vergleich: Die gesamte Europäische Union produziert derzeit etwa 4.000 TWh pro Jahr. Die IAE kommt zu dem Schluss, dass dieser steile Anstieg vor allem auf das Wachstum von Künstlicher Intelligenz (KI) und Kryptowährungen (d. h. „Blockchain“-Technologie) zurückzuführen ist. [1, 2, 3]
Vor zwei Jahren befand sich etwa ein Drittel der weltweit 8.000 Rechenzentren in den USA, die etwa 4 % des Energiebedarfs des Landes ausmachten. Schätzungen zufolge wird der Energieverbrauch dieser Rechenzentren in den kommenden zwei Jahren um 50 % ansteigen. In Europa, wo ebenfalls ein beträchtlicher Teil der Rechenzentren angesiedelt ist (etwa 16 %), deuten die Prognosen auf einen ebenso starken Anstieg des Energieverbrauchs hin, insbesondere im Finanz- und IT-Sektor in Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin. [2]
Für einige Regionen in Europa hat der Hype um KI bereits spürbare Auswirkungen. Irland zum Beispiel hat vor kurzem ein Moratorium gegen den Bau neuer Rechenzentren erlassen, da die bestehenden bereits fast 20 % des Energiebedarfs des Landes ausmachen (etwa zwei Drittel des Verbrauchs der privaten Haushalte). Die Versorgungsunternehmen in solchen Regionen kommen mit dem Ausbau und der Wartung des Energienetzes kaum noch nach. Der steile Anstieg wird hier besonders deutlich, wo der Energieverbrauch der Rechenzentren zwischen 2021 und 2023 um 31 % steigt und sich seit 2015 vervierfacht hat. [1, 4]
Dies wirft die Frage auf, was KI so stromhungrig macht oder ob der Anstieg des Stromverbrauchs auf die vertiefte Digitalisierung und die verstärkte Nutzung durch Verbraucher*innen zurückzuführen ist. Während KI sicherlich in vielen unserer täglichen Interaktionen mit Computern und dem Internet Einzug gehalten hat, deuten Studien darauf hin, dass KI in der Tat extrem verschwenderisch ist, selbst auf einer Pro-Anfrage-Basis. Dies gilt insbesondere für generative KI (die Texte, Töne, Bilder oder sogar Videos erzeugt) und sogenannte Mehrzweckmodelle, die im Allgemeinen in der Lage sind, eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Aufgaben auszuführen. [5, 6, 7]
Abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, einschließlich der Prozessorstruktur der verwendeten Cloud-Computer und der spezifischen Inhalte, die generiert werden, kann die Ausführung eines solchen Modells die Batteriekapazität einer einzigen Smartphone-Ladung verbrauchen (oder nur etwa ein Hundertstel einer Ladung für einfachere Aufgaben und Modelle). Dennoch kostet die durchschnittliche KI-Suchanfrage etwa zehnmal mehr als eine „normale“, nicht KI-gestützte Suchanfrage über eine beliebige Suchmaschine. [5, 6, 7]
Der höchste Energieverbrauch fällt jedoch während der Trainingsphase der Modelle an. Eine Studie über verschiedene BLOOM-Sprachmodelle ergab, dass das Trainieren und Abstimmen der Modelle etwa 200 Millionen bis 600 Millionen Mal mehr Energie kostet als eine einzige Anfrage an die KI durch Endbenutzer*innen. Dies ist besonders gravierend, da die Modelle in der Regel ständig trainiert, angepasst, abgestimmt und neu trainiert werden müssen, um „die Nase vorn“ zu haben und ständig neue Fähigkeiten und Funktionen zu erwerben. [5, 7]
Das führt in der Praxis natürlich zu einem enormen Energieverbrauch. Das Training von GPT-3, dem Modell, das ChatGPT bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2022 angetrieben hat, verbrauchte 1.287 MWh Energie. Das entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 400 Haushalten in Deutschland. [7, 8]
Mangelnde Effizienz

Es wird jedoch erwartet, dass der Energieverbrauch weltweit so oder so dramatisch ansteigen wird, während wir (hoffentlich nicht zu) langsam von der Verbrennung fossiler Brennstoffe wegkommen und beginnen, den Verkehr, die Heizung/Kühlung und alle anderen Arten des Energiebedarfs zu elektrifizieren. Zwar sinken die Kosten für elektrische Energie derzeit aufgrund des Ausbaus der billigen und effizienten Erzeugung erneuerbarer Energien, doch wird sie kurz- und mittelfristig ein kostbares und begrenztes Gut bleiben. [9]
Es bleibt die Frage, ob die KI ihr Versprechen einlöst, die Produktivität zu steigern und die Wirtschaft anzukurbeln. Umfragen unter Führungskräften und Arbeitnehmer*innen deuten vorerst auf das Gegenteil hin. Eine Studie des Upwork Research Instituts unter CEOs und Arbeitnehmer*innen in den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich und Australien fasst zusammen, dass nahezu alle Führungskräfte eine Produktivitätssteigerung durch KI erwarten und 85 % der befragten Unternehmen ihren Einsatz fordern oder fördern. Die Arbeitnehmenden in den gleichen Unternehmen scheinen jedoch anderer Meinung zu sein. Fast die Hälfte von ihnen hat keine Vorstellung davon, wie KI überhaupt zu einer höheren Produktivität ihrer Arbeit führen könnte, und mehr als 75 % glauben, dass der Einsatz von KI ihre Produktivität sogar verringert. [10, 11]
Kritiker*innen unterstützen dieses Argument und führen weiter aus, dass die gesamte Prämisse der Produktivitätssteigerung durch generative KI zumindest bei IT-Jobs von vornherein falsch ist. Das Schreiben von neuem Code macht nur einen kleinen Teil der Arbeit aus – auch wenn es in der Regel genau der Faktor ist, der den Unternehmensgewinn einbringt. Stattdessen laufe die Branche Gefahr, Kompetenz und Verständnis für Projektinfrastruktur, Softwarearchitektur und Wartung zu verlieren. Ebenso deuten Studien darauf hin, dass die Nutzung generativer KI durch Schüler*innen und Studierende ihre Bildungsergebnisse negativ beeinträchtigen kann. [11, 12, 13]
Selbst globale Investoren wie Goldman Sachs kritisieren den weit verbreiteten Einsatz von generativer KI als Mittel zur Produktivitätssteigerung. Sie behaupten, es sei unwahrscheinlich, dass sich die hohen Investitionen in die Entwicklung, Implementierung und Einführung von KI für Unternehmen jemals auszahlen werden. Sie sind auch skeptisch gegenüber dem proklamierten Transformationspotenzial der generativen KI und den Vorteilen, die sie für die Wirtschaft als Ganzes haben könnte.[14]
Zusammenfassung

Künstliche Intelligenz, einschließlich generativer Modelle, sind zweifellos auf dem Vormarsch. In den letzten Jahren haben sie in vielen Aspekten unseres täglichen Lebens Einzug gehalten. Im Gegensatz zu vielen anderen technologischen Fortschritten machen wir uns jedoch wenig Gedanken über die Ressourcen, die für die Bereitstellung solcher Dienste benötigt werden. Sei es die Energie für die erforderliche Cloud-Infrastruktur, die Süßwasserreserven, um die Hardware kühl zu halten, die Gewinnung und Nutzung seltener Mineralien, welche für die darin enthaltenen Mikrochips benötigt werden, oder die zahllosen Stunden, die Arbeitskräfte in Niedriglohnländern am anderen Ende der Welt damit verbringen, die Maschinen mit Inhalten zu füttern und ihre Ergebnisse zu moderieren. [9, 15, 16]
Und natürlich sind nicht alle Anwendungen von „KI“ per se unnötig. Es gibt tatsächlich viele Bereiche, in denen spezialisierte Modelle den Status quo verbessern könnten. Doch der Hype und die Versprechungen, die von den Akteur*innen der KI-Unternehmen gemacht werden, sind beispiellos. In der Zwischenzeit hat die (generative) KI nur wenig zur Verbesserung der wirtschaftlichen Ergebnisse oder (was noch wichtiger ist) der Art und Weise beigetragen, wie wir arbeiten, leben und ganz allgemein unser tägliches Leben gestalten. Technologieunternehmen behaupten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Wendepunkt erreicht ist und KI (oder was auch immer gerade der aktuelle Trend ist) unser Leben im Handumdrehen zum Besseren verändern wird. Kritiker*innen mögen dem entgegnen: Soziale Probleme können selten durch mehr Technik gelöst werden.
Generell ist es wahrscheinlich eine gute Idee, die Versprechungen, die im Zusammenhang mit jeglicher Technologie (einschließlich „KI“) gemacht werden, kritisch zu hinterfragen und sie dort einzusetzen, wo es sinnvoll ist (oder Spaß macht!), ohne dabei zu vergessen, was diese Nutzung mit sich bringt.
Quellen
- Baraniuk, C. (2024): Electricity grids creak as AI demands soar. URL: https://www.bbc.com/news/articles/cj5ll89dy2mo
- International Energy Agency (2024): Electricity 2024 – Analysis and forecast to 2026. URL: https://www.iea.org/reports/electricity-2024 [p. 31ff]
- International Energy Agency (2024): Electricity – Europe. URL: https://www.iea.org/regions/europe/electricity (viewed: 2024-10-05)
- Shortt, R: (2023): Households cut electricity use, consumption by data centres up. URL: https://www.rte.ie/news/business/2023/0612/1388694-power-consumption-by-data-centres-jumped-31-last-year
- Luccioni, A.,Jernite, Y., Strubell, E. (2023): Power Hungry Processing: Watts Driving the Cost of AI Deployment? URL: https://doi.org/10.48550/arXiv.2311.16863
- Vincent, J. (2024): How much electricity does AI consume? URL: https://www.theverge.com/24066646/ai-electricity-energy-watts-generative-consumption
- EnviaM Group: Stromverbrauch Künstliche Intelligenz. URL: https://www.enviam-gruppe.de/energiezukunft-ostdeutschland/verbrauch-und-effizienz/stromverbrauch-ki
- Statistisches Bundesamt (2023): Stromverbrauch der privaten Haushalte nach Haushaltsgrößenklassen. URL: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/UGR/private-haushalte/Tabellen/stromverbrauch-haushalte.html (viewed: 2024-10-05)
- Calvert, B. (2024): AI already uses as much energy as a small country. It’s only the beginning. URL: https://www.vox.com/climate/2024/3/28/24111721/climate-ai-tech-energy-demand-rising
- Monahan, K., Burlacu, G. (2024): From Burnout to Balance: AI-Enhanced Work Models. URL: https://www.upwork.com/research/ai-enhanced-work-models
- Doctorow, C. (2024): AI’s productivity theater. URL: https://pluralistic.net/2024/07/25/accountability-sinks/
- Geuter, J. (2024): Productivity gains in Software Development through AI. URL: https://tante.cc/2024/08/27/5312/
- Marx, P. (2024): Will generative AI have many long-term benefits?. URL: https://disconnect.blog/roundup-will-generative-ai-have-many-long-term-benefits
- Koebler, J. (2024): Goldman Sachs: AI Is Overhyped, Wildly Expensive, and Unreliable. URL: https://www.404media.co/goldman-sachs-ai-is-overhyped-wildly-expensive-and-unreliable
- Marx, P. (2023): A.I.’s dirty secret. URL: https://www.businessinsider.com/chatgpt-ai-will-not-take-jobs-create-future-work-opportunities-2023-2
- Marx, P. (2024): The data workers whose labor powers AI. URL: https://disconnect.blog/roundup-the-data-workers-whose-labor-powers-ai
Jan ist Mitgründer von ViOffice. Er kümmert sich insbesondere um die technische Umsetzung und Wartung der Software. Seine Interessen liegen insbesondere in den Themengebieten Sicherheit, Datenschutz und Verschlüsselung.
Neben seinem Studium der Volkswirtschaftslehre, später der angewandten Statistik und seiner daran anknüpfenden Promotion, hat er jahrelange Erfahrung im Bereich Softwareentwicklung, Opensource und Serveradministration.